Nachdem es über Jahre relativ ruhig war hinsichtlich einer möglichen Ortsumgehung in Hirschberg, schlagen jetzt die Wellen hoch: Bürgermeister Just reist nach Berlin und Stuttgart, um alles möglich zu machen, damit die Autofahrer schneller vorankommen. Dass die Menschen im Ort vom Verkehr entlastet werden, ist dabei eher eine Nebensache, wie es scheint. Denn auch wenn eine Umgehung – im besten Fall – zwar die Situation im Ort verbessert, zerschneidet sie dafür die Naherholungsräume außerhalb des Ortes und bedeutet eine massive Flächenversiegelung. Diese Argumente sind alle schon oft genannt. Ebenso oft wurde bereits betont, dass ein zusätzlicher Autobahnanschluss bei Muckensturm die kostengünstigste und flächensparsamste Lösung wäre. Das wird besonders deutlich, wenn man sich den Vorschlag einer Kreis-Entlastungsstraße ansieht, der nun präsentiert wurde: Gleich nach der Abfahrt von der Autobahn zwischen Heddesheim und Hirschberg wird die Straße parallel zur Autobahn bis Muckensturm geführt und mündet dort auf die Muckensturmer Straße. Bei einem zusätzlichen Autobahnanschluss an der Muckensturmer Straße würde der Verkehr eben über die parallel verlaufende Autobahn geführt. Der Vorteil für die Autofahrer ist klar: Eine zusätzliche Straße bedeutet eine Ausweichmöglichkeit für die Autofahrer bei Stau auf der Autobahn. Flächenversiegelung ist für die Vordenker dieser Idee offenbar kein Thema, und auch Kosteneffizienz steht offenbar nicht im Vordergrund.
Dabei könnte man mit den Millionen, die eine solche Straße kosten würde, einiges bewegen: Die Nutzung der OEG zwischen Großsachsen und Leutershausen könnte für alle Hirschberger kostenlos werden, wodurch sich der Verkehr zwischen den Orten stark reduzieren ließe. Dieser Kurzstreckenverkehr macht einen beachtlichen Teil des Verkehrs und wird sich durch eine Ortsumgehung nicht verringern lassen. Alternativ könnte man die OEG von Mannheim über Heddesheim bis Großsachsen weiterführen und so eine entspannte und hinsichtlich der Fahrzeit attraktive ÖPNV-Verbindung nach Mannheim schaffen. Auch eine dichtere Taktung der Bahnverbindung von Weinheim nach Wiesloch-Walldorf ließe sich vielleicht erreichen, um den vielen an der Bergstraße wohnenden Mitarbeitern von SAP eine Alternative zum Auto zu bieten. Oder es könnten gute (!) Radwege bzw. Radschnellwege nach Mannheim und Heidelberg gebaut werden, um die derzeitige leidige Situation des lückenhaften Radwegenetzes zu verbessern. Gerade mit Pedelecs/E-Bikes ist die Strecke nach Heidelberg (aber auch nach Mannheim) für viele Menschen machbar, doch als Alternative zum Auto ist das Fahrrad nur attraktiv, wenn man weder große Umwege fahren noch befürchten muss, vom nächsten Lastwagen von der Straße gefegt zu werden.
Solche Maßnahmen entlasten die Hirschberger und schonen die Umwelt und das Klima indem sie den Verkehr verringern statt ihn nur umzuleiten, und verbessern gleichzeitig die Situation für Menschen, die sich gar kein eigenes Auto leisten können oder aus anderen Gründen (z.B. Alter, Gesundheit) auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind. Eine Umgehungsstraße gießt nur den Status Quo in Beton und Asphalt statt zu gestalten.
Alles realitätsferne Spinnereien? Anderswo funktioniert so etwas, etwa das 365€-Jahreskarte für den Nahverkehr in Wien, das Semesterticket, das seit Jahrzehnten Studenten in vielen Städten kostenlose (bzw. von der Allgemeinheit finanzierte) Nutzung des Nahverkehrs bietet, oder das neue Radverkehrsgesetz für Berlin. Warum nicht auch an der Bergstraße?
Wir alle kennen sehr wohl die Problematik des ständig zunehmenden Verkehrs. Die individuelle Mobilität steckt allzu oft im Stau und leidgeprüfte Anwohner von Hauptverkehrsstraßen fordern zu Recht weniger Lärm und Abgase, sehen aber eine Lösung nur in weiterem Straßenbau und Landschaftsverbrauch vor der Haustür der anderen.
Sinnvolle örtliche Verkehrsplanung sucht aber nach allseits verträglichen Lösungen. Kluge Weichenstellungen sind es jedoch, die vom neuen Gemeinderat gefragt sind, um sich nachhaltig ökonomisch und ökologisch zeitgemäß fortzubewegen. Auch die Gemeinde sollte ihren Beitrag leisten, um dem Klimawandel entgegenzusteuern, indem Fußgänger, Radfahrer und Benutzer des öffentlichen Nahverkehrs gegenüber dem Autoverkehr mehr öffentlichen Raum bekommen. Es muss z.B. wieder möglich sein, sicher mit dem Fahrrad oder zu Fuß in die Kindergärten und die Schulen zu gelangen. Viele Leutershausener Bürger warten immer noch vergeblich auf den versprochenen Fahrradweg in das Gewerbegebiet sowie auf eine sichere Fahrradverbindung zum S-Bahnhof Hirschberg/Heddesheim.
Unsere engen Ortskerne bieten sich geradezu an, den Autoverkehr zu reduzieren durch die Schaffung verkehrsberuhigter Bereiche. Die geplante Ortsrandstraße in Großsachsen bringt für die betroffene Bevölkerung keine nennenswerte Entlastung, eher schon für die Gemeinde eine willkommene, aber millionenschwere Erschließung! Mit den Nachbargemeinden müssen vielmehr gemeinsame Lösungen gefunden werden, um unnötige Straßenbaumaßnahmen zu vermeiden und überregionale Verkehrsströme zu bündeln. Dies wäre unbedingt notwendig, um endlich durch die Verbesserung des öffentlichen Schienen- und Busverkehrs unsere Orte von zunehmendem Verkehr zu entlasten. Der für 2011 beschlossene zweigleisige Ausbau der OEG zwischen Schriesheim und Weinheim ist hierbei ein Meilenstein zu einem zukunftsfähigen Verkehrskonzept für Hirschberg.