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Kurzvortrag Manju Ludwig zu dem Thema: 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland. Die Anfänge der Bewegung

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Am 19. Januar 1919 - also auf den Tag genau vor 100 Jahren - fand die erste reichsweite deutsche Wahl statt, bei der Frauen das aktive und passive Wahlrecht besaßen. Gewählt wurde an diesem Tag die Deutsche Nationalversammlung, die als verfassungsgebendes Parlament der Weimarer Republik die konstitutionelle Monarchie unter Kaiser Wilhelm II. beendete. Dies war durch die Oktoberreformen und die Novemberrevolution im Jahr 1918 nach dem Ende des Ersten Weltkriegs möglich geworden. Durch die Revolution war eine aus SPD und USPD-Mitgliedern bestehende sechsköpfige Regierung ins Amt gekommen, die das Wahlrecht massiv ausweitete. Zuvor hatten nur Männer ab 25 Jahren in einem Dreiklassenwahlrecht eine Wahlberechtigung. In ihrem "Aufruf des Rates der Volksbeauftragten an das deutsche Volk" vom 12. November 1918 wurde die rechtliche Grundlage für ein reformiertes Wahlrecht gelegt: 

"Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen."


Alle Frauen, die am Wahltag das 20. Lebensjahr vollendet hatten, durften an der Wahl teilnehmen, die aktive Wahlbeteiligung der deutschen Frauen lag bei über 80%. Das passive Wahlrecht ermöglichte es Frauen, sich auch als Abgeordnete für die Nationalversammlung zur Wahl zu stellen, von dieser Möglichkeit machten 300 Frauen Gebrauch - ein Einzug gelang bei insgesamt 423 Abgeordneten immerhin 37 Frauen, knapp 9% . Dieser Wert konnte in der Folge erst wieder 1983 mit dem Einzug der Grünen in den Bundestag erreicht werden!


Bereits vorher hatten mehrere Landtagswahlen mit aktivem und passivem Frauenwahlrecht stattgefunden, so etwa am 12. Januar 1919 in Bayern, Baden und Württemberg.

Es waren jedoch nicht allein die politischen Ereignisse der unmittelbaren Nachkriegszeit, die das Frauenwahlrecht möglich machten. Vielmehr baute die Wahlrechtsreform des Rats der Volksbeauftragten auf einem langen Kampf der Frauenbewegung für das Wahlrecht im 19. Jahrhundert auf. Bereits in den 1840er Jahren kam es, ausgelöst durch die Ideen der Französischen Revolution, zu einer propagandistischen Frühphase der deutschen Frauenbewegung. Unter dem Einfluss der 1848er Märzrevolution forderten erste Frauen wie Louise Otto und Hedwig Dohm in ihren Publikationen eine Ausweitung des Wahlrechts. Sie stellten zwar Einzelstimmen dar, jedoch drang so das kontroverse Thema  weiter in die Öffentlichkeit. Bis dato wurde politische Beteiligung als reine Männerdomäne angesehen, Frauen seien aufgrund ihres Geschlechts und körperlichen Andersartigkeit zu politischem Denken unfähig. Diese Annahmen sollte jedoch in den kommenden Jahren massiv hinterfragt werden.

Ab den 1890er Jahren weitete sich die Frauenbewegung aus und verbesserte ihre Organisationsstrukturen, insbesondere durch die Gründung von liberalen, sozialistischen und kirchlichen Frauenverbänden, wie dem 1902 gegründeten Frauenstimmrechtsverband oder dem Bund deutscher Frauenvereine (1895), die sich aktiv für das Frauenwahlrecht einsetzten. Weitere Forderungen waren neben der Teilnahme am politischen Leben das Recht auf Bildung und Erwerbsarbeit sowie ökonomische und soziale Selbstständigkeit.

Das politische Engagement für die deutsche Wahlrechtsbewegung wurde durch die Einführung eines einheitlichen Vereinsrechts im Jahr 1908 erleichtert, die das seit den 1850er existierende Verbot für Frauen, Mitglieder in politischen Vereinen zu sein, abschaffte. Auch eine Anbindung an die weltweite Frauenstimmrechtsbewegung gelang, was sich beispielsweise in der Teilnahme an der Internationalen Frauenstimmrechtskonferenz in Washington im Jahr 1902 oder der Gründung des Weltbundes für Frauenstimmrecht im Jahr 1904 in Berlin niederschlug.

Historisch war der Kampf für das allgemeine Frauenwahlrecht eng mit der heftig umkämpften Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts für Männer verknüpft. Aus diesem Grund war unter den politischen Parteien die SPD auch die einzige, die ab 1891 die Forderung nach dem Frauenstimmrecht in ihr Wahlprogramm aufnahm, wenngleich innerhalb der Partei weiterhin ein konservatives Frauenbild als Kämpferin an der Seite des Mannes, jedoch nicht als emanzipiert von ihm, dominierte. Die Sozialdemokratin Clara Zetkin setzte zur Propagierung des Frauenwahlrechts 1911 den ersten Internationalen Frauentag in Deutschland durch, der mit Demonstrationen, eigenständige Publikationen und öffentlichen Veranstaltungen begangen wurde.

Inhaltlich und methodisch jedoch waren sich die aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten stammenden Verfechterinnen des Frauenwahlrechts nicht immer einig und so spaltete sich die Bewegung, beispielsweise über die Frage, ob ein sofortiges demokratisches Reichstagswahlrecht gefordert werden solle oder ob ein langsamer Wandel durch eine stufenweise Einführung eines kommunalen Frauenwahlrechts oder die Ausweitung des Dreiklassenwahlrechts auf Frauen der vielversprechendere Weg zum Ziel sei.

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterbrach die Agitation für das Frauenwahlrecht zeitweise, da ein Großteil der Frauenbewegung ihre Forderungen einstellte, um die Kriegsbemühungen zu unterstützen. Die Osterbotschaft Kaiser Wilhelms II im Jahr 1917 beendete diese Phase der Inaktivität jedoch, da er in dieser eine Wahlrechtsreform ohne ein Eingehen auf die Forderung nach dem Frauenwahlrecht ankündigte. Aus Ärgernis über diese Auslassung formierte sich nun ein breites Frauenbündnis, das die vorherigen spaltenden Aspekte überwinden konnte - auch aufgrund der gemeinsamen Arbeit im Nationalen Frauendienst während dem Krieg, bei dem sich Sozialdemokratinnen und bürgerliche Frauenrechtlerinnen angenähert hatten. Die Jahre 1917 und -18 zeichneten sich folglich durch einen stimmgewaltigen Einsatz für das Frauenstimmrecht aus, der durch Petitionen, Versammlungen und Sonderschriften befeuert wurde. Im Oktober 1918 wurde in einer Eingabe von einem Zusammenschluss von 58 deutschen Frauenorganisationen an den Reichskanzler eine Unterredung über die Zukunft der "politischen Gleichberechtigung" gefordert - zu dieser kam es jedoch nicht mehr und bereits im November des gleichen Jahres setzte der Rat der Volksbeauftragten die Forderung der Frauenbewegung für das Frauenwahlrecht um. International gehörte Deutschland damit zu den Vorreitern in der Etablierung des Frauenwahlrechts in Europa - noch vor Großbritannien, den USA und Frankreich. Nur in einigen skandinavischen und baltischen Ländern war das Frauenwahlrecht früher eingeführt worden.

Die Einführung des Frauenwahlrechts stellt jedoch nicht den Abschluss der weiblichen Emanzipationsbemühungen dar. Trotz weitreichender frauenpolitischen Erfolge in der Weimarer Republik, zu denen beispielsweise die Zulassung von Rechtsanwältinnen und Richterinnen gehörte, gelang es der rechtsradikalen und emanzipationsfeindlichen NSDAP im Jahr 1932 einen Wahlerfolg auch mit den Stimmen von Frauen zu erzielen, der in der Folge die Errungenschaften der Frauenbewegung aussetzte und das passive Wahlrecht von Frauen de facto abschaffte. Doch auch nach der Wiedereinführung des aktiven und passiven Wahlrechts und freien Wahlen nach 1945 und der formellen Gleichberechtigung von Frauen und Männern im west- und ostdeutschen Grundgesetz war die umfassende Emanzipation von Frauen nicht gegeben - so benötigten Frauen in Westdeutschland beispielsweise für eine Berufstätigkeit die Unterschrift des Gatten; der sogenannte Gehorsamsparagraph wurde erst 1957 gestrichen. Auch in unserer gegenwärtigen Gesellschaft gibt es noch viele Bereiche, in denen eine umfassende Gleichberechtigung von Frau und Mann aussteht - und ich freue mich sehr, dass nun Frau Dr. Franziska Brantner einen Vortrag zu diesen aktuellen Herausforderungen halten wird.

 

Zum Weiterlesen:

Dr. Kerstin Wolff, 12.11.2018, „Der Kampf der Frauenbewegung um das Frauenwahlrecht“, online abzurufen unter: www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/frauenwahlrecht/278701/der-kampf-der-frauenbewegung-um-das-frauenwahlrecht

Die Internetpräsenz der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg: https://www.lpb-bw.de/12_november.html

Die Internetpräsenz des Ministeriums für Soziales und Integration Baden-Württemberg: www.frauenwahlrecht-bw.de/            

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